Vorwort

Den Anstoss zu diesem Buch gab die EWR-Abstimmung von 1992, die bis in die Familien zu hitzigen Diskussionen geführt hatte. Dabei musste ich feststellen, dass die Nachkriegsgenerationen zum Teil im Staatskunde-Unterricht eindeutig nicht genügend aufgepasst haben - sofern ein solcher überhaupt geboten wurde. Ich begann dann, unseren Nachkommen in Gedanken Briefe über staatspolitische Belange zu schreiben. Später hielt ich die Gedanken schriftlich fest.

Die im Vorfeld der EWR -Abstimmung geführte Kampagne wies alarmierende Merkmale auf. Weitgehend unbeachtet und unbemerkt wurde der Abstimmungskampf auf völlig verschiedenen Ebenen geführt. Die einen favorisierten die wirtschaftlichen Aspekte, während die anderen staatspolitische Gesichtspunkte in den Vordergrund stellten. Man redete aneinander vorbei. Das Gerede der Medien von unüberwindbaren Gräben zerriss die Nation tatsächlich. Der unschöne Verlauf des Abstimmungskampfes, verschärft noch durch die voreilige Hinterlegung des EU-Beitrittsgesuches in Brüssel durch den Bundesrat , führte unser Land in eine wahrhaftige Identitätskrise mit schwerwiegenden Folgen namentlich bei den jüngeren Generationen. Wir müssen reden miteinander, noch können wir es. Die EU-Frage hat zwar tatsächlich Gräben aufgerissen, aber sie sind nicht so tief, wie einzelne Politiker und viele Medien uns weismachen wollen. Und es ist nicht einfach der Röstigraben . Ein Graben verläuft zwar sehr wohl zwischen den Sprachgruppen, aber auch zwischen Stadt und Land, Jung und Alt, mehr und weniger Gebildeten, zwischen Wirtschaftskapitänen und Bauern und er führt mitten durch Ehen, Familien , Belegschaften, Vereine, Kirchen , Kompanien und Parteien. Und mitten wohl durch jede einzelne Person.

Wir können nicht darauf warten, dass sich die Gräben von selbst auffüllen, denn die Zeit drängt. Wir wollen hier deshalb darlegen, wie viele ältere Menschen über den umrissenen Problemkreis denken. Leute, welche die Schweizergeschichte noch als solche vorgestellt erhielten, die Krise der Dreissigerjahre und den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben und durch diese Ereignisse geprägt worden sind. Leute, die während des Krieges unter zum Teil erheblichen Opfern ihre Dienstpflicht erfüllten und in den letzten fünfzig Jahren in harter Arbeit das Schweizerhaus so ausbauten, wie es sich heute darstellt.

Die Alten haben gelehrt: Was Du bei Nichtgebrauch weit weg wirfst, musst Du ebensoweit herholen, falls Du es wieder benötigst - wenn es dann überhaupt noch da ist! Mir scheint, dass viele Jüngere unter uns zur Zeit bereit sind, die in unserem Lande während Jahrhunderten mühsam erworbenen oder erstrittenen Einrichtungen dem vom Ausland vorgegebenen Gleichschritt aus opportunistischen oder idealistischen Gründen leichtfertig zu opfern. Glücklicherweise gibt unsere Verfassung dem Volk das Recht und die Pflicht, solche Entscheide in demokratischer Weise zu fällen. Aufgabe der Stimmberechtigten ist es, sich die für so schwerwiegende Urnengänge nötigen Kenntnisse anzueignen.

Ich gelangte zur Einsicht, dass wir, die Aelteren, Eltern und Lehrer , es im Verlaufe der letzten vierzig Jahre offenbar versäumt haben, die Jugend in genügendem Masse für die Staatsidee Schweiz zu gewinnen und entschloss mich, den Versuch zu unternehmen, der Nachkriegsgeneration zu erklären, warum wir Aelteren so denken wie wir denken, die Eidgenossenschaft für einmalig und einzigartig und darum für erhaltenswert halten und bereit sind, uns für dieses Ziel einzusetzen.

Im ersten Abschnitt versuche ich die historischen Wurzeln unserer Staatsidee aufzuzeigen, in einem zweiten die Staatsidee Schweiz in Worte zu fassen. Im dritten Teil verfolge ich die Spuren der nach meiner Meinung bedenklichen staats- und gesellschaftspolitischen Entwicklung der letzten vierzig Jahre um dann im Schlussteil ein zuversichtlicheres Fenster zur Zukunft zu öffnen.

Der Stil will den Eindruck einer trocken-wissenschaftlichen Abhandlung vermeiden: Ich verzichte deshalb tunlichst auf Fremdwörter und auf häufige Zitate oder Quellennachweise. Dafür finden sich im Anhang ein Stichwort- und ein Literaturverzeichnis. Ich wende mich nicht an Historiker , sondern an die staatspolitisch Interessierten aller Alterstufen. Das Buch will ein Argumentarium bilden für bestandene und angehende Patrioten. Die Gebrauchsanleitung auf der nächsten Seite kann helfen, den passenden Einstieg zu finden.

Der Aktivdienstveteran soll das Buch als Dank, Anerkennung und Bestätigung empfinden, den Achtundsechziger will es zum Ueberdenken seiner Ablehnung alles Schweizerischen einladen und die jüngsten Mitbürgerinnen und Mitbürger sollen für die Staatsidee Schweiz gewonnen werden.

Sorgen wir in den kommenden existentiellen Abstimmungen dafür, dass unsere Kinder und Kindeskinder in Zukunft in gleicher Freiheit über staatspolitisch entscheidende Fragen werden bestimmen können, wie wir das heute zu tun berechtigt sind.

Europas Eidgenossen
> Vorwort
> Gebrauchsanleitung
> Wurzeln unserer Staatsphilosophie
> Staatsidee Schweiz
> Der schleichende Verrat
> Chancen und Visionen
> Literaturverzeichnis
> Buchbestellung
> Diskussion
Vorwort